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10.07.2015

10. Juli 2015


Barfußwanderung und Schwimmbad

Die Blogleserinnen und Blogleser, die uns schon seit September 2014 begleiten, werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie unsere Pausengestaltung aussah, bevor wir einen eigenen Schulgarten hatten: Täglich gingen wir spazieren oder benützten den Gemeindespielplatz hinter dem Schulgebäude. Da sich jedoch sehr bald herausgestellt hatte, dass die tägliche Benützung des Gemeindespielplatzes die Bewegungs- und Spielbedürfnisse unserer 19 Schulkinder kaum erfüllen konnte ohne diesen in Mitleidenschaft zu ziehen, beschränkten wir uns ab Oktober zur Pausengestaltung auf ausgiebige Spaziergänge. Zu Fuß erkundeten wir Mold und Umgebung und fanden dabei so manche Schätze: Rehskelette, Glitzersteine, alte Dosen, Kastanien, …. Seit März 2015 verbrachten wir alle Pausen ausschließlich in unserem neuen Schulgarten. Grund genug für Bernhard, die Kinder zu einem außergewöhnlichen Spaziergang zu motivieren. Seine zweistündige Barfußwanderung wird für alle zu einem besonderen Erlebnis. 30 Kinderfüße fühlen Dinge, die sie nur selten oder noch nie betreten haben und auch die Kinder, die ihre Schuhe doch lieber anbehalten, haben Freude an diesem Ausflug.

In der letzten Schulwoche herrschen in ganz Österreich hochsommerliche Temperaturen und so können wir mit den Kindern das Gemeindeschwimmbad, das sich neben dem Schulgebäude befindet, benützen. Was für ein Wasserspaß – siehe Fotos!

Eine ärgerliche Verkehrsverhandlung

Vor einigen Wochen traf ich Frau Mag. Steininger-Gurnhofer in der BH Horn. Ich wollte mich erkundigen, ob und welche verkehrstechnischen Maßnahmen vor unserem Schulgebäude möglich seien, um für unsere Schulkinder größtmögliche Verkehrssicherheit zu gewährleisten. Täglich queren wir mehrmals die Straße vor der Schule, um zum Spielplatz und zurück zu kommen. An die Regel, dass diese Querungen nur in Anwesenheit von uns Erwachsenen erfolgen dürfen, halten sich verlässlich alle Schulkinder. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn sich das Tempo der vorbeifahrenden Autos auch von Amts wegen reduzieren ließe, oder sie stehenbleiben müssten, um uns über die Straße zu lassen. Am vernünftigsten erschien mir ein Zebrastreifen, evt. in Verbindung mit einer elektrischen Geschwindigkeitsanzeige, oder einer Temporeduktion. Frau Mag. Steininger-Gurnhofer erklärte mir, dass sie zuerst einmal eine Verkehrsmessung veranlassen müsse. Die dabei erhobenen Daten und statistischen Auswertungen wären dann die Basis für eine Verkehrsverhandlung und dabei zu beschließende Maßnahmen.

Im April wurden eine Woche lang Verkehrsaufkommen und gefahrene Geschwindigkeiten vor unserer Schule gemessen.

Am 24. Juli treffen sich alle von Amts wegen damit befassten Personen einschließlich Bgm. Schmöger um 11:00 Uhr im Gemeinschaftshaus in Mold zu einer Verkehrsverhandlung. Leider passiert mir ein dummer Fehler: Ich lese die Einladung zur Verhandlung offensichtlich zu ungenau und fahre aufs Gemeindeamt nach Rosenburg, statt ins Gemeinschaftshaus nach Mold. Deshalb komme ich etwas abgehetzt, und mich für meine 7-minütige Verspätung entschuldigend, zur Verhandlung. Alle warten schon auf mich. Ob und was in meiner Abwesenheit über die Verkehrssituation vor der Schule gesprochen worden ist, bleibt für immer ein Geheimnis. Herr DI Strasser von der NÖ Landesregierung erläutert anhand von Statistiken die Ergebnisse der Messung, die mich doch etwas erstaunen. Gefühlsmäßig hätte ich gemeint, dass doch viel zu viele Autofahrerinnen und Autofahrer viel zu schnell an unserer Schule und den sich auf dem Gehsteig wartenden Kindern vorbeigesaust wären. Doch die Statistik belehrt mich eines Besseren. Alles liegt unter dem österreichweiten Durchschnitt. Außerdem weist mich Herr DI Strasser mehrmals darauf hin, dass meine Schulkinder nicht gefährdet seien und keines weiteren besonderen Schutzes bedürften, denn es gelte im Straßenverkehr in Bezug auf Kinder die Ausnahme vom Vertrauensgrundsatz. Ich lausche weiteren Ausführungen, bin sprachlos und ärgere mich immer mehr über mein Zuspätkommen. Als Herr DI Strasser als eine der ersten Maßnahmen zur Sicherheit meiner Schulkinder ein Park- und Halteverbot in der Länge von 70 m vor unserer Schule vorschlägt und ins Protokoll aufnehmen will, finde ich meine Sprache wieder. Entschieden argumentiere ich gegen dieses Halte- und Parkverbot. Ein Halte- und Parkverbot trägt nichts zur Sicherheit der zwischen Schule und Schulspielplatz wechselnden Kinder bei. Denn am Vormittag stehen sowieso keine wartenden Elternautos am Straßenrand. Es würde den Betrieb meiner Schule äußerst erschweren und wenn sich jeder wirklich daran hielte, fast unmöglich machen. Lieferanten, ein- und aussteigende Schulkinder, Lehrpersonal, das oft Unmengen an sperrigen Materialien in die Schule bringt, … alle dürften nicht einmal kurz vor der Schule halten. Nach einem zähen Hin und Her (ich bin in einem Juristenhaushalt aufgewachsen und weiß, wie wichtig jedes einzelne niedergeschriebene Wort ist) und nur Dank der Unterstützung von Frau Mag. Steininger-Gurnhofer (Danke !!!), lässt sich das Halteverbot als erste Maßnahme vor der Schule abwenden, seine Erwähnung im Protokoll unter Phase 2 ist jedoch nicht zu verhindern. Da laut Statistik die meisten Unfälle mit Kindern auf einem Zebrastreifen passieren und es für die Aufbringung eines Zebrastreifens mindestens 200 Querungen pro Tag geben müsste (ich werde im nächsten Schuljahr recherchieren, auf wie viele wir es tatsächlich bringen) gibt es keinen Zebrastreifen. Herr DI Strasser meint auch, dass eine blinkende Geschwindigkeitsanzeige vor der Schule die Kinder nicht schützen, sondern die Autofahrer nur ablenken würde. Da bin ich anderer Meinung. Einige Wochen hing vor der Schule solch eine Anzeigetafel (angebracht durch die Gemeinde Mold) und wir hatten schon den Eindruck, dass sich die Autofahrerinnen und Autofahrer früher und mehr einbremsten. Auch Herr Insp. Katholnig bestätigte in einem Gespräch aufgrund seiner Berufserfahrung diese Wahrnehmung und meine Ansichten zum Zebrastreifen. Wie auch immer, die Gemeinde hat die Warnblinkanlage schon vor einiger Zeit wieder abmontiert und Herr DI Strasser schlägt vor, dass wir uns ja solch eine Anlage beschaffen könnten - sie kosten pro Stück zwischen 2 000 € und 3 000 €. Man könnte ja versuchen dafür Sponsoren aufzutreiben. Danke für den Hinweis.

Was ist das Ergebnis der Verkehrsverhandlung? Zu den bestehenden Gefahrenzeichen „Achtung Kinder“ wird der Zusatz „Schule“ ergänzt, zwei Piktogramme „Achtung Kinder“ werden auf der Straße aufgebracht. Das ist auf jeden Fall besser als nichts.

Vor fast 40 Jahren kamen bei einem tragischen Verkehrsunfall in Mold einige Schulkinder ums Leben - auch beide Schwestern meiner Mitarbeiterin Helga. Ich habe sehr gehofft, dass die Verkehrsverhandlung zum Schutz und Wohl unserer Schulkinder etwas anders verläuft.

Hurra wir sind voll und haben sogar noch ein 23. Schulkind bewilligt bekommen!

Nun zu etwas Erfreulicherem. Vor ca. zwei Wochen kontaktiert mich wieder einmal eine verzweifelte Mutter mit der Anfrage, ob ich noch einen Platz für ihren neunjährigen Sohn Valentin hätte. Ich muss Frau Stehle einige Tage um Geduld bitten, da eine andere Familie gerade dabei ist, sich für oder gegen den letzten freien Schulplatz zu entscheiden. Schweren Herzens teile ich Valentins Mutter am Freitag mit, dass wir keinen Platz mehr für ihren Sohn haben. Die Enttäuschung ist für mich sogar durchs Telefon fast körperlich spürbar und Valentin geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Trotz jahrelangem Urgierens seiner Mutter bei diversen HNOs konnte erst vor einem halben Jahr festgestellt werden, dass der Bub auf einem Ohr taub ist. Valentin bekam ein Cochlea-Implantat und hörte nun zum ersten Mal in seinem Leben besser. Dass seine schulischen Leistungen unter dieser viel zu spät erkannten Hör-Behinderung gelitten hatten bzw. sich nicht altersentsprechend entwickeln konnten, ist wohl verständlich. Der Wechsel in die Schwerstbehindertenklasse einer Sonderschule wurde vorgeschlagen.

Ich denke an Ronni, bei dem im Sommer 2014 aus schulpsychologischer Sicht auch der Besuch einer Sonderschule empfohlen worden war und der sich bei uns zu einem ganz tüchtigen, tollen und sicher nicht verhaltensauffälligen Schulkind entwickelt hat. Zu Schulbeginn war Ronni ein echter Leseanfänger. Er kannte keinen einzigen Buchstaben und hatte doch einige Schwierigkeiten, sich die Buchstaben zu merken und sich länger auf etwas zu konzentrieren. Wir filmten ihn, so wie alle unsere Schulkinder, zu Schulbeginn und zu Schulschluss beim Lesen. Bei der Aufnahme vom 7. Oktober 2014 liest Ronni Silben aus dem Intra Act Plus Leseprogramm, Ende Juni 2015 einen kleinen Lesetext aus meinem Deutsch-Programm. Die Texte sind nicht illustriert. Der Inhalt erschließt sich den Kindern somit nur durch sinnerfassendes Lesen. Seit Ende Mai wählt Ronni in Freiarbeitszeiten immer wieder ein Buch, um selbst zu lesen, oder um uns etwas vorzulesen (einmal stoppte ich unauffällig die Zeit mit, Ronni las konzentriert 25 min). Wir haben es geschafft!!

Nun wieder zurück zu Valentin. Sein Schicksal bereitet mir sogar eine schlaflose Nacht. Irgendetwas muss doch hier möglich sein! Die Zukunft eines Kindes kann doch nicht nur von einer Quadratmeterbeschränkung abhängen. Am nächsten Morgen rufe ich Frau Stehle an und bitte sie, uns mit Valentin auf jeden Fall in der Schule zu besuchen. Ich möchte beide kennenlernen, bevor ich meinen in der Nacht geschmiedeten Plan in die Tat umsetze. Valentin ist ein lieber, etwas schüchterner Bub, der sich sehr gut artikulieren kann. Ich bin gerade dabei, mit der 1. Klasse das Rechnen bis 100 in Zehnerschritten zu erarbeiten und bitte Valentin, sich zu uns zu setzen und mitzumachen. Als er merkt, dass es bis zum 100er geht, meint er sofort fast panisch: „Das kann ich doch noch nicht, ich kann nur bis 20 rechnen.“ Ich beruhige ihn, dass das gar nichts ausmacht, drücke ihm unsere Rechenstäbchen in die Hand und schon geht es los. Nach einer Dreiviertelstunde bearbeitet er genauso sicher und selbständig wie die anderen Schulkinder das entsprechende Arbeitsblatt und rechnet in ganzen Zehnern bis Hundert. „Zwanzig plus dreißig ist fünfzig, …“, ist dabei auch eine herausfordernde und für Valentin sicher förderliche Sprechübung. Valentin, seine Mutter und auch ich sind begeistert.

Ich verspreche noch am gleichen Tag, alles mir Mögliche zu unternehmen, damit Valentin die Schule im Dialog besuchen kann.

Bei der Bau-Besprechung im März mit Herrn Ing. Kienast von der Landesbauabteilung und Herrn Mag. Glanz vom Landesschulrat (es ging um die Bewilligung unseres Lehrerzimmers) erfuhr ich ja, dass für uns jetzt die Bauordnung für Privathaushalte gilt. Vielleicht wäre es daher möglich, von unserem großen Gang, sieben Quadratmeter abzuziehen und in die Unterrichtsfläche zurückzurechnen. Dann könnte Valentin kommen. Außerdem verwenden wir unseren Gang ja auch tatsächlich täglich als Unterrichtsfläche – siehe Fotos vieler Blogeinträge der letzten Monate. Unsere Geduld wird eine Woche lang auf eine harte Probe gestellt, da sich Herr Ing. Kienast auf Urlaub befindet. Als ich ihn dann am Dienstag erreiche und mein Anliegen vorbringe, verläuft unser Gespräch sehr freundlich und erfreulich. Mit der Feststellung: „Wir haben ja gesehen, dass bei Ihnen wirklich gelernt wird“, verspricht Ing. Kienast sich die Pläne unserer Schule noch einmal anzusehen, sich mit Herrn Mag. Glanz diesbezüglich in Verbindung zu setzen und mich so bald wie möglich über den Ausgang dieses Gespräches zu informieren. Eine Stunde später läutet mein Handy und ich erfahre, dass aufgrund eines gewissen Spielraums bei der Quadratmeterberechnung unser 23. Kind bewilligt sei. Mehr wäre aber nicht mehr möglich. Ich bedanke mich sehr herzlich und teile diese gute Nachricht unendlich froh einer überglücklichen Mutter mit. Wir freuen uns auf Valentin.